Häuser, Fenster und Türen

Die Fenster sind klein und schmal in so einem alten irischen Farmhaus, das selber nicht gross ist. Da ist kein Platz für grosse Fenster. Ausserdem gab es in der Vergangenheit die Fenstersteuer. Je mehr Fenster eine Behausung hatte, und je grösser sie waren, um so höher war sie, und wollte vermieden werden. Das wirkte sich vermutlich auch später noch aus beim Bau von Häusern. Jedenfalls ist das Innere dieses Hauses ziemlich dunkel. Das gilt besonders für meine Arbeitsecke in der Küche. Wenn ich da was gescheit sehen will, muss ich das grosse Licht anmachen.

Immer neigten sie hier dazu, alle Häuser gleich oder ähnlich zu bauen. Cabins, Cottages, Farmhäuser, Bungalows, und während des Baubooms die Häuser in sogenannten “estates”. Alle ein Typ aus Katalogen mit Bauplänen, aus denen eine, manchmal zwei, drei, ausgesucht und dann auf dem Gelände angeordnet wurden, aber immer, immer schrecklich gleichförmig. Ob nun etwas luxuriöser als Ferienhäuser neben einem Hotel mit Golfplatz auf dem Gelände eines alten Herrenhauses, oder einfach als Wohnsiedlungen neben einem Dorf. Neben fast jedem Dorf. Ich erinnere mich noch, wie zwei dreckige “construction workers” während des booms in Carrick in die Buchhandlung kamen und sich, um irgendetwas klarzumachen, während ihrer Arbeit am Bau die Pläne im Katalog in der Buchhandlung anschauten. Jede Buchhandlung verkaufte solche Kataloge.

Man hat keine Dörfer erweitert. Die estates wurden daneben hingeklatscht. Mit eigenem Strassenzugang, der eine Sackgasse ist. Am Ende eine Wendeplatte. Es gibt keine Anbindung zum Dorf, man kann durch sie nicht spazieren gehen. Und immer noch stehen viele leer, wurden nie ganz fertiggestellt. Sogenannte “ghost estates”. Der einzige Versuch, sie einzubinden, bestand darin, ihnen Namen zu geben, die etwas mit der Lokalität zu tun haben sollten. Wir konnten immerhin einige verhindern.

Aus meinem zerfledderten Paperback Oxford English Dictionary:

estate: n.
1 a property consisting of a large house and extensive grounds
2 an area of land and modern buildings used for housing, industrial or business purposes
3 a property where crops such as coffee are grown or wine is produced
(solche gibt es hier nicht. Lol.)
4 all the money and property owned by a person at the time of their death

1,2 und 3 zusammen finde ich doch recht bemerkenswert, wenn man weiss, welche Rolle “property” i.e. Immobilien hier gespielt haben.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte: In letzter Zeit steht abends die Sonne, wenn ich koche so, dass sie schräg in die Küche scheint, so sie denn scheint. Meine Ecke erreicht sie trotzdem nicht. Aber ich fand zufällig heraus, als ich Sachen aus dem Schrank über mir – Salz, Gewürze und so – holte, dass die Sonne die geöffnete Schranktür trifft, und von dort reflektiert das Licht dann auf meine dunkle Arbeitsfläche und beleuchtet sie. Derlei ephemerische Alltagsphänomene finde ich faszinierend, amüsant, bemerkenswert.

Schafe (9)

Woran erkennt man, dass die Geburt eines Lammes bevorsteht? Wenn sie auf der Weide passiert, ist das erste Anzeichen, dass die Ewe sich von den anderen absetzt und einen Platz für das Ereignis auswählt. Keine Ahnung, nach welchen Gesichtspunkten. Dort wird sie dann irgendwann sehr unruhig. Steht auf, legt sich wieder hin, in einer Tour, kratzt mit den Vorderhufen am Boden, reibt sich den Hintern an irgendwas, falls sowas zur Verfügung ist, knabbert an ihrer Wolle herum. Aus der Vagina kommt irgendwann ein bisschen schleimiges Zeugs. Wenn Ewe daran schnuppert, wird sie noch agiler. Blökt auch zwischendurch immer wieder, als riefe sie schon nach dem Lamm.

Aber erst, wenn die Fruchtblase erschienen ist und wie ein mit Flüssigkeit gefüllter Ball an einem dünnen Schlauch herunterhängt, weiss man, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann, bis sie mit dem Pressen beginnt. Dazu legt sie sich in der Regel auf die Seite. Doch das Auf und Ab geht weiter, oft hängt ein Lamm dabei schon hinten mehr oder weniger heraus. Wenn alles gut geht, kann alles schnell gehen oder auch langsamer. Ich fand es immer wieder verblüffend, wie das Lamm nach all der Mühe doch schliesslich dann so plötzlich ganz in diese Welt flutschte.

Was danach passiert, beschreibt John Lewis-Stempel, Autor des wunderschönen Buches Meadowland viel besser, als ich es könnte. Darum verweise ich euch dorthin.

Wenn danach noch eine Fruchtblase herunterbaumelt, weiss der Schäfer, dass das erste Lamm einen Bruder oder eine Schwester bekommt. Und so weiter.

Vierlingsgeburten sind allerdings sehr selten.

Cre na Cille

Verserzählers letzter Beitrag zum Grablied von Ewald von Kleist hat mich angeregt, hier auf Cre na Cille von Mairtin O’Cadhain hinzuweisen. Obwohl ich es selber noch nicht gelesen habe. Und das passt auch zu Tloenfaehrers „Wenn wir sterben“ Beitraegen hier.

Schon bei meinem zweiten Besuch in Irland fragte ich im berühmten Kenny’s book shop in Galway nach diesem Buch, über das ich irgendwo gelesen hatte. Sie hatten es nicht, und ausserdem gab es das überhaupt nur auf Irisch.

Mir gefiel der Plot: Leute, die auf einem Friedhof in Irland ihre anscheinend letzte Ruhe fanden, fanden sie nicht. Es geht unter der Erde weiter mit allem… Unter anderem tratschen sie über noch Lebende, die jedoch nach und nach zu ihnen stossen.

Jetzt gibt es eine englische Übersetzung, in der der Autor sich bemüht hat, die eigenwillige Sprache des Autors im Englischen wiederzuspiegeln.

Bald soll noch eine weitere Uebersetzung dieses Werkes erscheinen.

Like today

Sheep dung.
Feeling cold meanwhile.
Grey stones mark edge of grassy path, short green grass.
There’s a cold breeze, yet the atmosphere is quiet, sleepy, calm.
Looking at the sheep makes me feel so, often. Like today.

Rushes, rushes, some green in them, but overall brown.
From this perspective all fields look brown, except the green grass in front of me
and down the path where the sheep lie resting, not yet ruminating.
Oh yes, the rams to the right do! They’re standing.
Between me and them the sheep fence.
Glad to sit here now. This wasn’t possible in recent weather,
not with a pen and writing. My feet getting cold though.
Happy that the sheep are happy.

Straight view down to Dowra, the wet meadow of the oxen between drumlins.
More drumlins around. In the background from left to right
the whole panorama of the Boleybrack range.
But no clear view today. Hazy.
The sun is shining, sky light blue, some small greyisch clouds.

Watching the two rams teasing each other in a friendly way.
That’s how this scene feels here today.
Right beside me water in the drain that leads down the drumlin.
A large bolder there as well. Leaning against another one,
or sitting on it, keep changing my position.
The small little ragged hawthorn tree between the two rams,
Mein Freund looking over whilst ruminating.
Never sat with a pen and paper here with the sheep. It’s funny.
To know that the sheep don’t mind me doing this assures.

Light yellowish brown the overall colour: fleeces, vegetation, the mountains.
Some hazy greyisch green in plantations in the distance,
ivy’s and holly’s sparse dark-greens along field boundaries.
There’s something right here this morning, feel almost part of the flock,
but no, I’m not a sheep, am freezing by now. They don’t.

Dowra has some other colours,
and square shapes in buildings.
See mainly roofs and chimneys,
the Mart, a few new houses outside,
the tower of the fire station.
It could have been different.

The Shannon hidden by bare branched trees and shrubs,
two black cows on the next neighbour’s field look huge.

(2011)

Schafe (7) Donkey

Die Nachbarn waren wieder mal mit Whiskey gekommen. Das macht man zu Weihnachten und bei besonderen Anlässen. Diesmal war es die Geburt unserer ersten beiden Lämmer. Nachdem sie im shed begutachtet und für gut und “So big!” befunden wurden, feierten wir in der Küche weiter.

Donkey, ihre Mutter, erhielt ihren Namen, weil sie sich zunächst furchtbar nervös und störrisch verhielt, als sie vom Markt zu uns kam. Ausserdem hatte sie graue Augen und Hufe und ein leichtes Hohlkreuz. Aber auch wunderbar lange und weiche Wolle, in die ich gerne griff, als sogar sie nach einiger Zeit zum Knuddeln kam. Ich weiss nicht warum, aber fast alle unsere Schafe tun das. Stellen sich vor einen hin und das bedeutet: Nun mach mal. Kraule mich am Hals, am Kopf, vor den Ohren.

Sie war etwas spät dran gewesen mit dem Lammen. Woher wusste ich das? Das Hammele hatte ein Geschirr umgeschnallt bekommen, als es Zeit war “to tip the ewes”. (Hier heisst manches anders als anderswo, und “ewe” spricht man auch nicht wie “you” aus, sondern wie ein halbes Jojo.) In dem Geschirr konnte man vorne auf seiner Brust eine farbige Kreide anbringen. Hatte er eine ewe bestiegen, zeigte sie ein farbiges Hinterteil. Nach zwei Wochen wurde eine andersfarbige Kreide angebracht. So konnten wir sehen, ob es beim ersten Mal geklappt hatte oder nicht. Drei Kreiden lang behielt Hammele das Geschirr um. Damit konnten wir ausrechnen, wann eine ewe lammen sollte. 21 Wochen +- ein paar Tage nach ihrem Tag der Farbe. Damals merkte ich auch, dass Schafe Farben sehen, denn wenn das Hammele eine neue eingesetzt bekam, erschraken die anderen davor.

Bei Donkey dauerte es also etwas länger, dafür waren ihre beiden Lämmer wirklich gross und schnell auf den Beinen und am Euter. Bei Caruso lief auch die Geburt perfekt ab, aber mit Callas ging es irgendwann nicht weiter. Erst soll man einer ewe immer Zeit geben, bevor man eingreift. Aber als ich dann doch nachschaute und sah, dass nur ein Bein und der Kopf herausguckten, ging ich nochmal schnell nachlesen in meinem Buch. Schreckliche Fehllagen zeigte es, und ich hatte gehofft, nie damit konfrontiert zu werden. Im Idealfall schiebt man das Lamm zurück in den Uterus und holt dann das andere Bein nach vorne, las ich. Oh je.

Gott sei Dank sagte das Buch aber im nächsten Absatz, dass man das Lamm auch so befördern kann, im Rhythmus mit dem Pressen der Mutter. Als ich zurück ins shed kam, war klar, dass es so gehen musste, denn Callas blökte bereits! Auch ein Grund, warum sie ihren Namen bekam. Es gelang mir ganz gut. Dieses einfachste der möglichen Probleme meisterte ich später noch ein paar Mal.

Leider stellte sich nach zwei Stunden Feiern, als wir freudig wieder nach ihnen schauten, heraus, dass etwas nicht stimmte. Die beiden waren unzufrieden, blökten die ganze Zeit, hatten Hunger, und bei der Untersuchung des Euters (welches hier “elder” und nicht “udder” heisst) liess sich nur aus einer Zitze etwas Dickflüssiges herausquetschen. Also kamen gleich leere Colaflaschen mit Schnuller drauf und Colostrum drin zum Einsatz. Einen Tag später dann Milchersatz.

Ein paar Tage blieben die drei noch in ihrem pen. Sechs davon hatte mein Mann im shed gebaut. Allerdings mussten wir die beiden Lämmer mit Paletten von der Mutter fernhalten, da sie nicht mehr ans Euter gehen sollten. Danach brachten wir die drei zu den anderen raus. Ihre Flaschen bekamen die Kleinen von da an auf der Weide. Damit erreichten wir, dass sie nicht typische pet lambs wurden. Die Bindung zwischen Donkey und ihnen erhielt sich noch etwa zwei Wochen. Es war traurig zu sehen, wie sehr ihr an ihnen lag, und doch konnte sie ihnen nicht das geben, was sie erst einmal am meisten brauchten.

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Im Herbst wurde Donkey erneut gedeckt, von einem Bocklamm. Ich bekam das zufällig mit. Wir haben später noch öfters unterschätzt, wie früh Schafe schon geschlechtsreif werden. Wieder hatte sie Zwillinge, die Geburt verlief diesmal bei beiden ohne Zwischenfälle, aber obwohl sich ihr Euter im Jahr davor perfekt zurückgebildet hatte, gab es wieder das gleiche Problem, und erneut zwei Flaschenlämmer – Sternchen und den kleinen Freund.

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Als wir rams und ewes schliesslich getrennt hielten, wurde sie von einem derer, die über Zäune zu springen beliebten, vier Jahre später noch einmal gedeckt. Daraus resultierte Eyebright, unser fünftes und letztes Flaschenlamm. Ein paar Monate war sie alt, als sie an Pasteurellose erkrankte. Der Tierarzt gab ihr Injektionen. Danach rannte sie sofort davon. Er ging zu seinem Auto zurück, ich schaute nach Eyebright – und fand sie tot. Das passiere manchmal, meinte er, dass sie vor Angst sterben. Ich konnte es kaum glauben in dem Moment, doch dann erinnerte ich mich an Beautys Lamm ganz am Anfang.

Donkey selbst wurde ziemlich alt.

Prevailing

Prevailing

I can’t remember a nastier March, so windy
that branches arch almost always distinctly
in constant choleric choreography,
would not hold still for photography,
would barely calm down like over exited
children, who with all means are invited,
prevailed on, to go to bed, but refuse.

Schafe (6) Callas und Caruso

Das folgende Pantoum schrieb ich vor ein paar Jahren während meines ersten Lyrik Workshops hier. Es ist lang und etwas kitschig, aber nun passt es hierher.

Der Workshop hiess: Landing in Leitrim. Er richtete sich an Imigranten aus anderen Ländern und Counties sowie an zurückgekehrte Emigranten. Auch Lämmer ‚landen‘ beim lambing in Leitrim

Callas and Caruso – Pantoum

She needed help to land,
arrived second after her brother.
Needed a helping hand.
She had got stuck in her mother.

She arrived second after her brother,
the two of them always cuddled together.
She had got stuck in her mother.
How big and lively both were!

The two of them cuddled together,
or played on their mother’s back.
So big and lively they were,
yet there was this lack.

They played on their mother’s back
for a while longer than that,
but there was this lack
of milk in her udder; thus both of them were bottle-fed

for much longer than that:
didn’t they shout aloud like hell
requesting their bottles to be fed.
They were with all others on the field and did well.

Didn’t they shout aloud like hell
at feeding time every few hours,
where they were with all others and did well.
And were called Caruso and Callas.

Every few hours
they pushed their bottles for flow of milk.
Caruso and Callas.
An their soft curly white locks felt like silk.

They pushed their bottles for flow of milk
then vehemently,
while their soft curly white locks felt like silk.
They kept that habit and later pushed gently.

Then vehemently
quick they seem to have grown.
Kept pushing thigh and cheek gently
in all those years when they grazed on their own.

Quickly they seem to have grown
from playful little lambs into sheep.
In those years when they grazed on their own
their trust was deep.

Playful little lambs had become sheep.
That expectant expression in Callas’ amber eyes.
Her trust was deep.
She knew I wouldn’t deny.

That expression in her amber eyes,
calling upon mine for extra feed.
Her tender muzzle wasn’t denied
to search my pocket for what was in it.

A portion of extra feed
was always there for her
when she searched my pocket for what was in it.
Caruso and Callas were

for many years always there,
she with the ewes and he with the rams.
Caruso and Callas were
separated as older lambs.

She then grazed with the ewes, and he with the rams,
they wouldn’t cuddle together,
were separated when they still were lambs,
but were happy and lively ever.

They do not now cuddle together,
both have left shepherds and flocks,
not lively anymore forever.
They had beautiful white silky locks.

They since have left shepherds and flocks.
Had trusted their shepherds’ hands.
Had beautiful white silky locks.
She had needed my hands to land.

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