Sonnenbad

Ein einzelner Sommertag gestern. Blauer Himmel, Sonne, 25 Grad darin. Heute noch ein paar Momente, die daran erinnerten.

Selten sah ich Amseln und Rotkehlchen so oft ein Sonnenbad nehmen wie in diesem Jahr. Nicht, weil die Sonne so viel schien, sondern im Gegenteil. Mir scheint, sie brauchen das, wenn die Sonne sich zu selten blicken lässt. Wie ich ja auch. Nur bade ich nicht so offensichtlich in ihr, wie dieses noch frische, schon erstaunlich selbstbewusste, Rotkehlchen heute, während einem der sommerlichen Momente auf dem Gartentisch.
(so offensichtlich ist das andererseits auch wieder nicht?)

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Ohne viel Worte

Mir fehlen in letzter Zeit etwas die Worte. (Und der Sommer, den es nicht gibt.)
Aber die neuen Rotkehlchen werden trotzdem rot, andere haben auch mal keine Schwanzfedern, die Eichörnchen haben sich vermehrt, eines heisst Flaschenbürste. Vielleicht könnt ihr euch seinen Schwanz vorstellen? Auf den Tisch kommen jetzt auch Meisen, und wenn wir drinnen hocken, Spatzen und Buchfinken. Unter den Schüsselchen mit dem Kuchen hocken Ohrenkriecher im Trockenen. Darum herum liegt nasse Vegetation und Gras, das Heu werden sollte, flach und verfault, oder hängt lustlos herum. Petunien eignen sich gar nicht für dieses Klima. Mittagsblumen auch nicht. Es ist ekelhaft, klebrige verschrumpelnde, schimmelnde Petunienblüten abzuzupfen.
Also, weil mir die Worte fehlen, nur mal ein paar Fotos, um ein bisschen was festzuhalten.
Mehr will ich ja auch nicht, wenn ich schreibe.

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The Worm Forgives the Plough

Ich will ins Bett gehen, und mir fällt ein, dass ich gestern meine Bettlektüre zu Ende gelesen habe. Obwohl ich Meadowland von John Lewis-Stempel eigentlich Monat für Monat analog zum Jahr übers Jahr verteilt lesen wollte, bin ich damit fertig, konnte von seiner ruhigen, sparsamen, gelassenen Erzählweise in den letzten Nächten nicht lassen.

“In the evening I walk down the lanes between the rows of cut grass, there is something incongruous, almost exotic, about part of the familiar field being in braids.”

Ich schau mich in der Küche um. Nur Lyrik da, nichts fürs Bett. Bringe das Laptop ins “Computerzimmer”. Der kleine Raum ist voll mit Allerlei, auch ein paar Bücher stehen rum. Schau ich doch mal. In der kleinen seltsamen Ansammlung finde ich neben einem Buch über Cattle Behaviour “The Worm Forgives the Plough” von John Stewart Collis, und nehme es ohne Zögern sofort mit ins Bett.

Hätte ich es gesucht: dort hätte ich es nie vermutet. Und ich wollte es bald einmal suchen, denn – und das ist, warum ich das hier auch erzähle, wieder mal so eine eigenartige Begebenheit – die Nacht davor hatte ich in Meadowland zum Schluss ganz hinten noch die Meadowland Library durchgeschaut.
“You are what you read. So I offer the following explanation.” So wird sie eingeführt.

Und deswegen wollte ich mich bald mal auf die Suche nach dem Wurm machen. Weil das Buch in dieser Library steht.

“You read what you are. I have the bad habit to read books about farming from another world. Britain before DDT: …John Stewart Collis‘ The Worm Forgives the Plough …“

Ich hatte das Buch vor wie vielen Jahren schon einmal gelesen? Dass ich nun so schnell tatsächlich zum Wiederlesen kommen würde, hätte ich nicht gedacht. Collis beschreibt seine Erfahrungen als Farmarbeiter in England während des zweiten Weltkrieges. Bemerkenswert die Beschreibungen der Arbeiten, die er zu tun hat. Humor- und liebevoll die Beschreibung der Menschen, mit denen er zu tun hat. Philosophisch und auch selbstkritisch seine Reflexionen.
Ich treffe auf Passagen, die ich beim ersten Lesen angestrichen hatte, und ich mag sie noch immer:

“The ordinary is rather more extraordinary than the extraordinary just as the material is rather more immaterial than the immaterial, and it is surely the mark of an inferior mind to be moved to wonder by the exception instead of the rule. The rule beats the exception by its own game. It is not the rabbit out of the hat but the rabbit out of the rabbit that is so surprising.”

The Queen

Ich muss das jetzt dalassen hier. Nachdem ich las, dass die Queen gerade auf Besuch in Deutschland ist. Ich mag sie. Aber nicht deswegen schreibe ich das jetzt, sondern wegen der Erinnerungen.

1965, ich war gerade in die Schule gekommen, holte mich meine Mutter dort und meinen kleinen Bruder aus dem Kindergarten heraus. Einfach so. Sie hat es durchgesetzt. Das sagt viel über meine Mutter. Auch wenn sie es selber jetzt in der Rückschau etwas komisch findet. Ich finde es toll in der Rückschau. Warum hat sie uns rausgeholt? Um die Queen zu sehen. Die Königin von England. Ich, beeinflusst von Märchenbüchern, fand das toll. Eine echte Königin sollten wir treffen…

Also Richtung Degerloch und Fernsehturm gefahren. Wir waren spät dran. Meine Mutter hatte das so spontan entschieden. Parkplatz zu finden fast unmöglich. Dann hasteten wir durch den Wald. Hatten wir den Hund dabei? Ich weiss es nicht mehr. Jedenfalls waren da massig Leute. Wir bekamen Fähnchen zum Schwenken von anderen, meine ich mich zu erinnern. Wir warteten, froh, dass noch nicht alles vorbei war. Wir Kinder erwartungsvoll ob dessen, was passieren würde. Immerhin durften wir deswegen Schule und Kindergarten schwänzen.

Dann kam sie, im offenen 600er Mercedes, ganz in Gelb gekleidet in einem komischen Kostüm, mit seltsamem Hut und Handtasche, freundlich den Leuten im Vorbeifahren zunickend und -winkend. Handschuhe, glaube ich… Ich war so enttäuscht. Diese Königin entsprach überhaupt nicht meiner Märchenvorstellung. Aber ich habe das nie vergessen. Mein Bruder fand das Auto am spannendsten.

2011 dann war der erste Besuch der Queen in Irland. Ich fuhr mit einigen Leuten zur Frida Kahlo Ausstellung im Zug nach Dublin. Wir mussten früh zurückfahren, weil am Abend wieder Strassen in Dublin gesperrt waren wegen des Besuchs. Sicherheitsvorkehrungen waren riesig. Für Irland ein historisches Ereignis. Ich erzählte meinen Mitfahrern, dass und wann ich sie schon einmal gesehen hatte. Das hatte ich ihnen Jahrzehnte voraus. Schon eigenartig. Und diesmal trug sie wirklich schöne Kleider, wie ich in den Zeitungen und Sonderbeilagen sehen konnte.

Dann, 2012 waren wir in Enniskillen ”in the North” zum zweiwöchentlichen Einkaufen dort, wie üblich. Und wunderten uns über die intensive Polizeikontrolle auf dem Weg zum Asda Suermarkt. Wir fragten, was los sei. The Queen! Ach ja, hatte ich in der Zeitung gelesen, aber genau wann sie da sein sollte, hatte ich mir nicht gemerkt.

Danach Stau auf den Strassen. Ich spähe durch ein Seitensträssle und sehe die vielen Leute in der Hauptstrasse. Ich steige aus. Vielleicht sehe ich sie doch noch einmal!

Aber sie war ein paar Minuten vorher schon vorbeigefahren. Ich war ein wenig zu spät dran, um meine Kindheitserinnerung aufzufrischen.

An der Tankstelle

Am Tag zuvor hatte ich u.A. ein gelbes fertiges Paar Stulpen fotografiert, für den Internetladen. Jetzt hockte ich auf der Rücksitzbank im lila Beetle. Weil Mama vorne sass. Lange Zeit hatten wir den VW-Van mit sieben (!) Sitzen, bis er nicht mehr durch den “TÜV” hier kam. Jetzt haben wir zwei Veteranenautos – mit eigentlich nur jeweils zwei Sitzplätzen – weil die nicht mehr zum TÜV müssen, und viel weniger Steuer und Versicherung kosten. Wenn einer ausfällt, gibt es noch den anderen – im Idealfall.

Im Landrover ist es unangenehm, zu dritt zu fahren, denn auf dem Notsitz in der Mitte hat man die Gangschaltung zwischen den Beinen. Nee, das gefällt mir gar nicht. Da sitze ich hinten im Käfer viel bequemer, wenn auch ohne Sicherheitsgurt.

Ja, und wie ich so da sitze an der Tankstelle, hinter Mama auf dem Beifahrersitz, da sehe ich dort einen grossen neuen hellen Lieferwagen stehen mit feiner Schrift drauf, die über die Delikatessen in ihm informiert. Das sieht aus wie eine Speisekarte in einem besonderen Restaurant. Und ich beobachte den Fahrer vorne, wie er sich vor dem Aussteigen dunkle Handschuhe anzieht, bevor er hinter dem Van aus meiner Sicht verschwindet, um auszuladen.

Dann schaue ich wieder vorne raus, und just in dem Moment beginnt ein älterer Mann in dunklem Anzug(!) unseren Zapfhahn und die Zapfsäule zu putzen, danach die hinter uns. Ich bin fasziniert. Ich rede nicht darüber. Schaue ihm nur zu. Er tut es in etwas eigenartiger Weise, mit einem langen schwarzen Strumpf, den er ab und zu wie einen Handschuh überzieht, aber sehr konzentriert. Das, und der Anzug, und die Handschuhe des anderen Fahrers… I’m intrigued.
Zweifle jedoch ein wenig an der Effektivität seiner Art zu putzen.
Egal.

Mama hatte ihr zweites Paar Socken für uns da noch nicht ganz fertig. Ich liebe ihre Socken.

Randbemerkung

Es gibt Leute, die fangen hinten an, ein Stück Kuchen oder Torte zu essen, also am Rand. Für mich ist das hinten. Die Spitze des Kuchenstücks ist vorn, mir zugewandt, weil ich nicht zu diesen Leuten gehöre.

Aber ich kann das verstehen, weil der Rand hinten oft enttäuschend ist, und man sich das Beste für den Schluss aufheben will. Dem Rand fehlt das Eigentliche, das Wesen, die Essenz des Kuchens, beispielsweise säuerlicher, saftiger Rhabarber. Der erste Rhabarberkuchen des Jahres schmeckt immer einzigartig köstlich! Bis auf den Rand.

Zwei habe ich bisher gebacken, und diesmal stellte sich die Frage des Randes beim Essen nicht mehr, wurde er doch davor schon weggeschnitten. Für den Kater und die sechs (sechs!) Rotkehlchen, die heuer auf Kuchen bestehen. (Wenn ich nicht draussen bin, sehe ich von drinnen auch manchmal Meisen und Buchfinken an den Schüsselchen mit den Kuchenkrümeln auf dem Gartentisch.)

Welche Kehlchen die Rotkehlchen damit füttern, kann ich nicht sagen, las ich doch erst kürzlich, dass Rotkehlchen auch oft andere Vögel füttern als Rotkehlchen und Kuckucke. Wer schon im Nest mit Kuchen gefüttert wird, tanzt vielleicht auch bald auf dem Tisch an? Hhm. Das erste junge Rotkehlchen habe ich gestern gesehen. Nein, noch nicht am Kuchen. Und noch braun.

Jetzt habe ich erst mal wieder Kastenkuchen gebacken. Der lässt sich einfach in einheitliche Scheiben zerteilen. Ohne hinten und vorn.