Ode to Enrico

alias Jonnie Controletti,

who all his life used
to hold his head high.
It harboured unusual
curiosity and intelligence
as well as
a chieftain mentality,
an elegant gait, swiftness
and decisiveness, combined
with an almost Italian temperament,
loyalty and attachment.
He seemed still young,
but wasn’t,
when his hind legs failed him,
kept holding his heavily
horned head high
for three more days,
until he couldn’t stand
lying, then
he moved on
and left us behind.

Weitsicht

Lesen ist (auch) nicht mehr das, was es mal war. Ich finde, dass oft zu viel Text auf zu kleinem Raum angeboten wird. Beispiel: Verpackungen.

Texte dort lassen sich schwer entziffern. Ich ärgere mich jedes Mal über die, auf denen ich unter all dem Kleingeschriebenen erst finden muss, wie lange man die Nudeln kochen soll, auf welche Temparatur den Ofen vorheizen. Weil ich nicht all zu oft Suppenwürfel benutze, muss ich die Packung immer mehrmals in alle sechs Richtungen drehen, bevor ich schliesslich auf der Rückseite in der Mitte versteckt die Mengenangabe für Wasser pro Würfel finde. Können solche wesentlichen Informationen nicht regel-mãssig prominent und ins Auge springend plaziert werden?

Im Bett kann ich nur bestimmte Bücher lesen. Grosse Schrift, grosser Kontrast von Schwarz auf Weiss. Auch hier habe ich etwas zu bemãngeln: Dass in kaum einem Buch seine Schriftart und -grösse angegeben werden. Wenn das nämlich so wäre, könnte ein jeder im Lauf seines Leselebens mit Typographie vertraut geworden sein, und diese Angaben müssten nun heute von Internetbuchhandlungen bereitgestellt werden, so dass ein jeder sich ein Buch auch nach typographischen Eigenschaften aussuchen könnte. Gegenwärtig kennt aber wohl kaum einer Schrifttyp noch –grösse dessen, was er liest?

Jedenfalls musste ich meine Bettlektüre immer weiter weg von mir halten, und sie fiel mir manchmal auf den Boden dabei. Meine Mutter brachte mir dann eine billige Lesebrille von Lidl, glaube ich, damit ging das besser, und sie hat den Vorteil, dass sie biegsam ist. Ich kann sie auch auf der Seite liegend tragen, und wenn sie hinunterfällt, geht sie nicht kaputt. Auch als Lesezeichen ist sie geeignet. Die Brille, die ich mir davor hatte machen lassen, ist dafür viel zu rigide.

Auch fürs Zeitunglesen war sie ungeeignet, denn sie war auf eine bestimmte Leseentfernung eingestellt, für eine liegende Zeitung völlig ungeeignet. Das ging ohne Brille noch besser. Inzwischen allerdings – und ich habe den Verdacht, dass die Irish Times eine kleinere Schriftgrösse eingeführt hat, aus Sparmassnahmengründen, denn damit passt ja mehr Text auf weniger Papier – also inzwischen brauche ich einen meiner Stapel auf dem Tisch, an den ich die Zeitung anlehnen kann, denn aus irgendeinem Grund scheinen sich beide Augen nur auf eine bestimmte Entfernung einigermassen einigen zu können.

Für die letzten Seiten setze ich schliesslich doch meistens die billige Brille auf, und während ich sie früher nach jedem Einsatz ins Etui zurückschob, habe ich mir das abgewöhnen müssen. Jetzt liegt sie in Reichweite zusammengefaltet, oder sogar offen auf dem Tisch herum. Selbst beim Häkeln, Kritzeln oder Lesen meiner eigenen Handschrift (!) setze ich sie nun öfters auf.

Und ich erinnere mich fast jeden Tag an meine (damals) ältere Kollegin, wenn ich mir wie sie die Brille während des Lesens nach vorne runter auf die Nase schiebe, um zwischendrin über sie hinweg in den Raum um mich herum zu sehen, klar.

Teelichte

Warum heissen die Teelichte und nicht Teelichter? Und wieso ueberhaupt “Tee”?

Nun, worüber ich eigentlich nur kurz schreiben will: Kurz vor Weihnachten hatte ich davon vier auf jedem Fenstersims. Unter anderem, weil ich Teelichte(r)behälter im Töpferkurs gemacht hatte, und die wollte ich auch benutzen. Jetzt, nach Weihnachten, im neuen Jahr, sind bloss noch zwei da, eins auf jedem Sims. Also nicht mehr wegen Weihnachten, sondern wegen der Dunkelheit, und wegen der Gewohnheit.

Aber was ich mich schon die ganze Zeir frage, ist: Warum rieche ich die immer nur, wenn sie heruntergebrannt und gerade am Ausgehen sind? Es sind nur billige Teelichte(r) von Lidl, also keine mit besonderem Geruch, aber trotzdem? Immerhin riechen sie dann.

Rauhe Nacht

Schwarze Scheibe, weisser Stern,
ein Kreis von Schafen.

Ein einzelnes
bei einer Gruppe
harter blauer Bäume, wo
kleine Lichter brannten.

Ein roter Kater schlief
schon den ganzen Tag
auf einem weichen Stuhl
seine zwei Nächte lange
Exkursion nach.

Und in grünen Zweigen
hingen weiterhin
sichtbar weiss-
bärtige Männer.

2016: ein Zweiheber (fast)

Dass uns gelinge,
was wir uns wünschen –
niemand und nichts
streiche die Rechnung
uns durch, es sei denn,
sie käme zu teuer.
Wünsche uns heuer
Spannung und Spass und
geruhsamen Schlaf nach
unruhigem Werkeln,
ob wortreich(,) gezeichnet,
ob Babies gewickelt,
Ideen entwickelt,
ob Hunde und Katzen
gestreichelt oder
in Runden im Wald
ausgeführt.
Liebe geliebt. Und
andre verflucht, doch
niemals im Ernst. Dass
Knochen und Herz
uns nicht versagen an
366
Tagen take care!

Teeth, sweets, beef and tweets – ein Kinderspiel?

Für einen Augenblick grabe ich meine Zähne
in eine Mandarine. / Von diesem Loch aus schäle
ich sie mit meinen Fingern, / die Süße.
Dann esse ich sie Schnitz für Schnitz. / Kerne,
die ich im Mund spüre, spucke ich aus.
Als Kinder sammelten wir sie / und machten mit
unseren kleinen Händen Ketten daraus.
Ich weiss, wie Mandarinen wachsen, / obwohl ich
nie war, wo sie herkommen.
Sie wachsen wie Früchte im Garten. / Ich weiss,
wie das geht.
Wenn ich will, kann ich Mauern bauen,
Bücher binden und Bilder malen. / Man muss sie
anschauen, dann weiss man, wie das geht.
Vieles kann man machen, / wenn man jemand
dabei zugeschaut hat.
Bei Őkonomie und Technik reicht das Hinschauen
nicht. / Es reicht nicht bei Beefburgern und Lasagne
aus der Tiefkühltruhe.
Manchmal ist das Fleisch von Pferden darin, / und
du siehst es nicht.
In der Lebensmittelkette kann man mit Kadavern
von Schweinen handeln, /ohne mit ihnen zu tun
zu haben / Wie das geht, weiss ich nicht.
Nur, dass man einen Computer braucht / und
eine gute Verbindung ins Internet.
Wenn dort viele Gesicht zeigen, um Freundschafts-
ketten herzustellen, / bauen andere damit süße
Berge aus Kohle.
Wie das geht, bleibt mir ein Rätsel.

(Ich habe aus aktuellem Anlass mal in meinen alten Texten gekrustelt auf der Suche nach diesem hier. Nach der Suche finde ich, dass ich, auch wenn nicht alles perfekt – was ist das schon – war, wieder mehr solche Sachen schreiben sollte.)

Medusa

Mein drittes Werkstück aus dem Toepferkurs seht ihr gleich. Auf dem Anfangsbuchstaben meines Namens sollte ich etwas mit so Tonwürstchen aufbauen. Bald entschloss ich mich, das hauptsächlich über dem Loch vom C zu tun, weil mir die C-Form eigentlich nicht gefiel. Also Würstchen da drüber. Dann sah das von der Seite aus wie eine hockende Figur. Also Kopf drauf. Und dann noch Haare. Mit so Spiralen hatten wir davor schon gearbeitet.

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Am Tag, bevor das Ding fertig mit Glasur gebrannt war, lasen wir in der Lyrikgruppe Medusa von Louise Bogan. Dazu findet man online Interpretationen, die ganz von meiner abweichen. Und auf Wikipedia finde ich die alte Geschichte, und wundere mich gar nicht, dass Medusa auch in verschiedenen Computerspielen vorkommt. Was für Geschichten sich die alten Griechen schon ausgedacht haben. Und was später hineininterpretiert wurde ….

Egal. Zumindest hat die Urgeschichte, wenn ich sie mal so nennen darf, auch mit Perspektiven zu tun, nicht? Die arme Medusa konnte die anderer gar nicht in Betracht ziehen, weil sie unter ihrem Blick auf sie zu Stein erstarrten.

Nun, mit meiner Medusa – so habe ich das Ding nun genannt – kann einem das nicht passieren, denn sie schaut einen unter ihren Schlangenhaaren gar nicht an. Sie schaut ins Leere, oder in sich hinein. Das passt dann ja auch wieder. Kein Interesse an anderen, zumindest in dem Moment, in dem sie da hockt und sozusagen zu Stein gebrannt wurde.

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What time is it now, where you are? (Colum McCann)

Zwei Tage nach meiner Ankunft fiel das Telefon im Haus meiner Mutter aus, damit auch das meines Bruders und meiner Schwägerin. Es dauerte einige Tage, bis Telecom reparierte. Dafür wurde gegraben. Mir war neu (oder auch nur entfallen?), dass in DE Telefonkabel unterirdisch verlaufen. Hier bin ich gewohnt, dass Bäume bei Sturm, oder grosse Lastwägen, die herunter reissen, und Leute von Eircom, neuerdings Eir genannt, auf Leitern steigen, um sie zu reparieren.

Wäre die Telefonanlage am Tag meiner Reise schon kaputt gewesen, wäre zumindest die letzte hier erzählte Episode etwas anders abgelaufen.

Trotzdem hätte das Buch, das ich am Flughafen kaufte, gepasst. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut meine Wahl gewesen ist. Schon oft hatte ich Colum McCann in der Irish Times besprochen gelesen. Aber da ich nicht wirklich Romanleserin bin, überlas oder überflog (sic) ich diese Artikel meistens nur. Ich hatte auch gelesen, dass Colum McCann böse zusammengeschlagen worden war vor einiger Zeit. Wahrscheinlich kennt den Autor hier jeder besser als ich bisher.

In Thirteen Ways of Looking spielt ein Telefon in den ersten beiden Geschichten, wobei die erste lange, die dem Buch den Titel gab, eher eine Novelle ist, jeweils eine nicht unwesentliche Rolle, ebenso wie ganz verschiedene Perspektiven auf das, was geschildert wird.

In der Novelle trifft sich ein alter ehemaliger Richter an, wie sich herausstellt, seinem letzten Abend, mit seinem Sohn zum Essen. Der aber hängt fast nur an seinem Handy, so sehr, dass er nicht einmal zum Essen kommt. Das Telefon hier nicht Mittel der Verbindung über Entfernung hinweg, sondern Behinderung der Kommunikation zwischen zwei Menschen, die sich am selben Ort befinden:

“And there it is again, shimmying and shaking, vibrating on the table, what is this, Candid Camera?
-Sorry, Dad.
-Oh, that’s okay, go ahead, take it, really, it’s okay.
Though it’s not okay, it’s far from okay, it’s light years from okay – just do the right thing and turn the phone off, would you, please, son ….

Elliot leans across and with the charm of which he is sometimes capable says: Do you mind, Father? I really have to take this one.
Do I what? Of course I mind. Here we are breaking bread, and all you want to do is jabber on endlessly. … I’m a sentimental old fool, I’m dripping with nostalgia, but cynics bore me, and I might as well wear my heart on my sleeve, I’d like to talk to you without interruption, can you give me at least that?
– No problem, Elliot.
– Thanks, Dad.

Die nächste Geschichte, What Time Is It Now, Where you Are? ist viel kürzer. Und unheimlich interessant für jeden, der fiction schreibt. Ein Autor soll eine Neujahrsgeschichte für eine Zeitschrift schreiben. Das Entstehen der Geschichte übers Jahr und die Geschichte selbst verweben sich, Werden sie eins? Hhm. Ja, doch wohl, in diesem Text. Auszug aus einer Bespechung der Seattle Times, zitiert auf Colum McCanns website:

“And in ‘What Time Is It Now, Where You Are?,’ a tiny masterpiece of writing about writing, we’re in the head of a McCann-like author, sitting in his New York apartment, dreaming up a story. Ideas, phrases (one from Joyce, again) flit through his head; memories of his childhood invade the fiction he’s creating. Ultimately the story becomes a barrage of questions about the characters he’s birthed, pummeling like hailstones. He writes, in that quiet apartment, because he needs to find the answers.”

So beginnen die Fragen:

“How is it, that a particle of a voice gets transmitted down a telephone line. How is it that Sandi summons up a simple phrase, and the muscles in her throat contract? How is it that Kimberlee hears a sound and already her hand is moving through space to reach for the white kitchen phone?

In der weiteren “Barrage” von Fragen bekommen wir Antworten, die uns (und den fiktiven Autor?) das Vorhergehende verstehen lassen aus dieser Geschichte, die er nach und nach entwickelt hat. Es läuft letztlich alles darauf hinaus,, was die Protagonistin, Soldatin in Afghanistan, an ihrem Satellitentelefon sagen wird um Mitternacht am Silvesterabend. Sie und der Autor (und Leser) warten auf diesen Anruf.

In allen vier Geschichten in diesem Buch spielen verschiedene Perspektiven auf Geschehenes, Geschehendes, eine Rolle, aber ich finde die ersten beiden am besten, weil sie dort auch in der Art und Weise des Erzählens verwirklicht sind, wenn man das so sagen kann. Die anderen beiden sind mehr üblich geschildert.

Der alte Richter in der Novelle stirbt auf dem Nachhauseweg nach einem Anschlag ähnlich dem, den Colum McCann selber erlebt hat. Aber, wie er im Nachwort schreibt, war der Anschlag auf den Richter schon als Idee da, bevor er selbst niedergeschlagen wurde. Auf seiner website hat er nun ausser einem ausführlichen Nachwort zu Thirteen Ways of Looking auch sein Victim Impact Statement veröffentlicht.

“Sometimes it seems to me we write our lives in advance, sometimes we can only ever look back.” schreibt er am Ende des Buches in seiner Author’s Note.

Perspektiven

– Ja wo bist du denn?
Ich hõre sie gut. Das wundert mich. Oft habe ich am Telefon Schwierigkeiten zu verstehen. Ich hõre auch ihre Aufregung. Warum? Ich bin etwas später dran, als ich geplant hatte, aber
– Ich bin jetzt im Zug. Früher konnte ich nicht anrufen, ich wusste ja noch nicht
– Ich weiss, warum du nicht anrufen konntest. Du hast deinen Geldbeutel verloren.

Hä? denke ich, und frage
-Woher weisst DU das denn?

Ein Mann habe ihn gefunden und bei meinem Mann angerufen, der daraufhin nochmal bei meiner Schwägerin anrief und ihr auch das mitteilte.
Wir werden unterbrochen. Der langhaarige Mann links von mir auf der anderen Seite vom Gang sagt “Tunnel”. Die Frau wählt etwas später nochmal die Nummer. Gut, ist der Geldbeutel also nicht verloren, geht es mir flüchtig durch den Kopf.

Familie sass bei meiner Mutter zusammen, aus Anlass meiner Ankunft und meiner Nichtes Geburtstag hatte sie alle eingeladen. Im weiteren Gespräch stellt sich heraus, dass sich alle den ganzen Abend Sorgen gemacht hatten, wie und ob ich ohne Geld und Ausweis überhaupt weiterreisen konnte. Mein Bruder habe rumtelefoniert, ob er irgendwo am Frankfurter Flughafen Geld für mich hinterlegen könnte.… Ich beruhige meine Mutter, ich hätte noch Geld und Pass, werde meinen Spruch doch noch los, und gebe meine geplante Ankunft am Stuttgarter Hauptbahnhof an. Eine meiner Nichten wird mich abholen. Die Frau will kein Geld für den Anruf. Sie und der langhaarige Mann schmunzeln.

Es ist finster. Kein Wunder hatte ich keinen Tunnel bemerkt. Ich kaufe ein Ticket. Die Kontrolleurin ist freundlich, und als ich ihr erkläre, warum ich kein Kleingeld habe, verlangt sie etwas weniger dafür. Vor Stuttgart beginnt der Zug zu zuckeln.Trotzdem sehe ich draussen nichts. Keine Stuttgart 21 Baustellen. Ich werde ungeduldig. Nachts reisen ist absurd.

Endlich bin ich draussen, und wie wohltuend, vertraute Menschen in den Arm zu nehmen. Endlich ist die Anonymität vorbei. Die alte Bahnhofhalle steht noch. Ich erkenne auch sie wieder.
Gerade noch am selben Tag komme ich am Ziel an.
Hunger habe ich keinen. Aber Wein tut jetzt gut. Anspannung löst sich bei jedem.

Der Clou: Mein Mann und meine Familie wussten, dass ich den Geldbeutel verloren hatte, bevor ich es selber bemerkte!
Und ich frage mich noch immer, was nun in diesen Stunden wahr war. Wir hatten alle eine andere, auf verschiedenen Prämissen beruhende Perspektive, verschiedene Gefühle, haben die gleichen Stunden und meine Reise daher ganz verschieden erlebt. Gab es da so etwas wie Wahrheit?

Als Fakt stellte sich der Verlust des Geldbeutels heraus. Der Mann hat ihn – anscheinend – nicht, wie von meinem Mann gebeten, am Flughafen abgegeben. Das wird nach dem Rückflug klar, als ich wieder hetzen muss, um das Büro der Flughafenpolizei zu finden, das gleichzeitig Fundstelle ist, bevor ich den Bus nehmen kann. “We don’t have it.”, sagte die Polizistin hinterm Schalter. Und “That was bad luck.” Ich vermisse ihn noch immer. Nicht so sehr wegen des Geldes, sondern wegen seiner Eigenart, die mir so lange vertraut war.

Daheim überlege ich, wie anders alles wohl gelaufen wäre, hätte ich ein Handy oder ein Smartphone besessen. Und ich denke, Mein Gott, du bist doch bloss zwischen zwei Daheims gereist. Einen Tag Stress, etwas Geld verloren. Na ja, zwei Tage, wenn man Hin- und Rückreise betrachtet. An letztere können die Flüchtlinge gar nicht denken, von denen in DE so viel die Rede war.

Verlust

“When the blackbird flew out of sight,
It marked the edge
Of one of many circles.”
Wallace Stevens

Während ich am Flughafen herumhänge, kaufe ich mir erst mal was zu lesen – noch im alten Terminal: Colum McCann: Thirteen Ways of Looking. Erstens hat es einen Aufkleber: Half Price, zweitens sind die Kapitel der ersten langen Geschichte mit den Strophen von Wallace Stevens‘ Gedicht Thirteen Ways of Looking at a Blackbird überschrieben. Lesen tue ich es erst in DE.

Immer wieder fallen mir die Computer auf, die da und dort in Vierergruppen herumstehen. Schliesslich beschliesse ich doch, mich an einen zu setzen. Herauszufinden, wann Züge von Frankfurt nach Stuttgart fahren. Umsonst ist das nicht, merke ich. Ich muss mindestens drei Euro einwerfen. So viel Kleingeld habe ich gerade noch. Und herausfinden, wann genau ich das einwerfen muss, bevor ich auf der Seite der Deutschen Bahn lande, und zweimal geschockt werde. 69 Euro soll das kosten. Was? Das ist fast so viel wie der neue Flug, den ich hatte buchen müssen. Weiter sagt mir die Seite, dass der letzte Zug um 20.50 Uhr geht. Ob das zu schaffen ist? Ich klicke mehrmals auf “später”, aber es wird nichts angezeigt. (Inzwischen weiss ich, dass die drei Euro nicht für “später” gereicht haben.) Mist! Muss ich auch noch in Frankfurt übernachten?

Ich schalte wie üblich, wenn ich fliegen muss, auf Alles über mich ergehen lassen. So ähnlich stelle ich mir immer Meditation vor.

Erst mal nun die Sicherheitskontrolle. Dann den fürchterlichen Bereich mit den Duty Free Shops. Parfüm? Viel zu teuer. Mein Budget ist zudem schon empfindlich gekürzt. Vor dem Bildschirm hocken und warten, bis das Gate endlich angezeigt wird. Mich auf den langen Weg dorthin machen. Unterwegs sehe ich ein Telefon. Vielleicht sollte ich doch meine Mutter schnell anrufen, dass es vielleicht nicht klappt mit dem Zug… Muss ich aber erst Geld wechseln. Das letzte Kleingeld ging ja in den Computer.

Ich finde meinen Geldbeutel nicht. Suche in Hand- und Manteltaschen. Lass die Handtasche von der Verkäuferin im Laden durchsuchen, weil ich so aufgeregt bin. Sie findet nur den anderen, in dem Gott sei Dank das meiste Geld ist. Aber im anderen war auch noch genug. Der Pass passte in keinen von ihnen. Ich renne nun hin und her, werde von einem zum anderen geschickt. Sicherheit lässt mich nicht mehr raus. Ich bin sicher, den Geldbeutel bei diesem verdammten Computer liegengelassen oder verloren zu haben. Boarding hat schon begonnen. Schliesslich weist mich eine andere liebe Verkäuferin auf eine Art Sicherheitsangestellten hin. Der telefoniert mit einem Kollegen. Aber bei diesen Computern wird mein Geldbeutel nicht gefunden. Ich fliege ohne ihn.

In Frankfurt fährt der Flieger nach der Landung noch elend lange irgendwo herum, bis wir endlich aussteigen dürfen. Bus bringt uns zum Terminal. Ich renne zur Gepäckausgabe. Das Gepäck kommt erstaunlich schnell. Wo ist jetzt der Bahnhof?

Am anderen Terminal, wie sich herausstellt. Nochmal Bus fahren. Einige Zeit auf ihn warten. Das wenigstens draussen. Endlich wieder draussen! Ich rauche. Im Shuttle Bus sitze ich neben einem Iren, relativ junger Mann, der geschäftsmännisch aussieht.Ich komme mit ihm ins Gespräch. Seine Mutter wohnt in Kinlough. Er kennt Leitrim gut. Ich fühle auf einmal nicht mehr so sehr, in Frankfurt zu sein. Er checkt für mich die Züge auf seinem Smartphone. Aber wusste schon vorher, will ja selber nach Mannheim: Es gehen noch weitere Züge am Abend. Uff. Ich finde mich wieder mal beruhigt.

Am Bahnhof erfahre ich, dass ich im Zug zahlen kann. Muss also keine Zeit am Ticketautomat verschwenden. Sobald ich im Zug sitze, frage ich einen jungen Mann, ob ich sein Handy benutzen kann. Der stellt sich an. Also ein paar Sitze weiter eine Frau, etwas jünger als ich.. Sie zögert etwas, lässt mich aber.

Ich werde den lustigen Spruch an meine Muttter, den ich mir ausgedacht hatte, nicht gleich los: Ich bin im Land, aber noch nicht …, denn Sie unterbricht mich sofort.