Verlust

“When the blackbird flew out of sight,
It marked the edge
Of one of many circles.”
Wallace Stevens

Während ich am Flughafen herumhänge, kaufe ich mir erst mal was zu lesen – noch im alten Terminal: Colum McCann: Thirteen Ways of Looking. Erstens hat es einen Aufkleber: Half Price, zweitens sind die Kapitel der ersten langen Geschichte mit den Strophen von Wallace Stevens‘ Gedicht Thirteen Ways of Looking at a Blackbird überschrieben. Lesen tue ich es erst in DE.

Immer wieder fallen mir die Computer auf, die da und dort in Vierergruppen herumstehen. Schliesslich beschliesse ich doch, mich an einen zu setzen. Herauszufinden, wann Züge von Frankfurt nach Stuttgart fahren. Umsonst ist das nicht, merke ich. Ich muss mindestens drei Euro einwerfen. So viel Kleingeld habe ich gerade noch. Und herausfinden, wann genau ich das einwerfen muss, bevor ich auf der Seite der Deutschen Bahn lande, und zweimal geschockt werde. 69 Euro soll das kosten. Was? Das ist fast so viel wie der neue Flug, den ich hatte buchen müssen. Weiter sagt mir die Seite, dass der letzte Zug um 20.50 Uhr geht. Ob das zu schaffen ist? Ich klicke mehrmals auf “später”, aber es wird nichts angezeigt. (Inzwischen weiss ich, dass die drei Euro nicht für “später” gereicht haben.) Mist! Muss ich auch noch in Frankfurt übernachten?

Ich schalte wie üblich, wenn ich fliegen muss, auf Alles über mich ergehen lassen. So ähnlich stelle ich mir immer Meditation vor.

Erst mal nun die Sicherheitskontrolle. Dann den fürchterlichen Bereich mit den Duty Free Shops. Parfüm? Viel zu teuer. Mein Budget ist zudem schon empfindlich gekürzt. Vor dem Bildschirm hocken und warten, bis das Gate endlich angezeigt wird. Mich auf den langen Weg dorthin machen. Unterwegs sehe ich ein Telefon. Vielleicht sollte ich doch meine Mutter schnell anrufen, dass es vielleicht nicht klappt mit dem Zug… Muss ich aber erst Geld wechseln. Das letzte Kleingeld ging ja in den Computer.

Ich finde meinen Geldbeutel nicht. Suche in Hand- und Manteltaschen. Lass die Handtasche von der Verkäuferin im Laden durchsuchen, weil ich so aufgeregt bin. Sie findet nur den anderen, in dem Gott sei Dank das meiste Geld ist. Aber im anderen war auch noch genug. Der Pass passte in keinen von ihnen. Ich renne nun hin und her, werde von einem zum anderen geschickt. Sicherheit lässt mich nicht mehr raus. Ich bin sicher, den Geldbeutel bei diesem verdammten Computer liegengelassen oder verloren zu haben. Boarding hat schon begonnen. Schliesslich weist mich eine andere liebe Verkäuferin auf eine Art Sicherheitsangestellten hin. Der telefoniert mit einem Kollegen. Aber bei diesen Computern wird mein Geldbeutel nicht gefunden. Ich fliege ohne ihn.

In Frankfurt fährt der Flieger nach der Landung noch elend lange irgendwo herum, bis wir endlich aussteigen dürfen. Bus bringt uns zum Terminal. Ich renne zur Gepäckausgabe. Das Gepäck kommt erstaunlich schnell. Wo ist jetzt der Bahnhof?

Am anderen Terminal, wie sich herausstellt. Nochmal Bus fahren. Einige Zeit auf ihn warten. Das wenigstens draussen. Endlich wieder draussen! Ich rauche. Im Shuttle Bus sitze ich neben einem Iren, relativ junger Mann, der geschäftsmännisch aussieht.Ich komme mit ihm ins Gespräch. Seine Mutter wohnt in Kinlough. Er kennt Leitrim gut. Ich fühle auf einmal nicht mehr so sehr, in Frankfurt zu sein. Er checkt für mich die Züge auf seinem Smartphone. Aber wusste schon vorher, will ja selber nach Mannheim: Es gehen noch weitere Züge am Abend. Uff. Ich finde mich wieder mal beruhigt.

Am Bahnhof erfahre ich, dass ich im Zug zahlen kann. Muss also keine Zeit am Ticketautomat verschwenden. Sobald ich im Zug sitze, frage ich einen jungen Mann, ob ich sein Handy benutzen kann. Der stellt sich an. Also ein paar Sitze weiter eine Frau, etwas jünger als ich.. Sie zögert etwas, lässt mich aber.

Ich werde den lustigen Spruch an meine Muttter, den ich mir ausgedacht hatte, nicht gleich los: Ich bin im Land, aber noch nicht …, denn Sie unterbricht mich sofort.

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