Alberto Caeiro (2): Nie hielt ich Schafe

Ich möchte voranschicken, dass es mir hier nicht um eine gute Übersetzung geht, sondern um eine, die den Sinn des Originals, so wie ich ihn erkenne, einigermassen akzeptabel vermittelt. Methodisch bin ich wie im ersten Teil vorgegangen.

Auch hier haben wir Zufriedenheit und Traurigkeit, aber sie werden ganz anders aufgefasst und ausgedrückt als bei Matthew Arnold. Witzig finde ich, dass Caeiro wie ich in meiner Parodie auf Dover Beach auffordert: Komm, setz dich zu mir. Hier Text I aus The Keeper of Sheep:

Nie hielt ich Schafe,

Aber es ist, als hätte ich es getan.

Meine Seele ist wie ein Hirte,

Kennt den Wind und die Sonne

Und wandert im Einklang mit den Jahreszeiten.

Sucht die Ruhe der menschenleeren Natur.

Komm, setz dich neben mich.

Und doch bin ich traurig, wie wenn ein Sonnenuntergang

Auf unsere Vorstellungskraft fällt

Sie auf dem Boden der Ebene abkühlt

Und die Nacht hereindringt

Wie ein Falter durch das Fenster.

 

Aber meine Traurigkeit ist beruhigend

Weil sie natürlich ist, und gerecht

Wie die Seele sein muss,

Die wir als existent voraussetzen,

Wenn unsere Hände Blumen pflücken,

Ohne auf sie zu achten.

 
Wie das Klappern von Rasseln

Hinter der Straßenkurve,

Sind meine Gedanken glücklich.

Traurig ist nur zu wissen, dass sie glücklich sind,

Denn wüsste ich es nicht,

Wären sie anstatt glücklich und traurig,

Fröhlich und glücklich.

 

Denk daran, wie unangenehm beim Gehen der Regen erscheint,

Wenn der Wind zunimmt und es scheint, als regne es mehr.

 

Ich habe keine Ambitionen und Wünsche.

Dichter sein ist keine Ambition von mir.

Es ist meine Art, allein zu sein.

 

Und wenn ich manchmal wünsche,

Mir vorstelle, ein kleines Lamm zu sein

(Oder die ganze Herde,

Verstreut am Fuß des Berges,

Denn viele können zur gleichen Zeit glücklich sein),

Ist das nur, was ich fühle, wenn ich schreibe bei Sonnenuntergang,

Wie wenn eine Wolke eine Hand über das Licht hält

Und eine Stille durch das Gras draußen wegrennt.

 

Wenn ich mich hinsetze, um Verse zu schreiben

Oder spazieren gehe entlang Wegen und Umwegen,

Schreibe ich Verse auf Papier, das mein Denken ist,

Ich bin der Stift in der Hand

Und ich sehe einen Ausschnitt von mir

Oben auf einem Hügel,

Nach meiner Herde suchend, meinen Ideen,

Oder blicke auf meine Ideen, um meine Herde zu sehen,

Und lächle vage wie jemand, der nicht versteht, was gesagt wird,

Und so tut, als würde er.

Man wird feststellen, dass die Eingangszeile hier konträr ist zum letzten Caeiro Text. Das meinte ich mit Widersprüchen in Teil 1. Vielleicht ist das aber auch bloss Entwicklung. In Teil 3 will ich irgendwann diese Entwicklung bei Caeiro hinsichtlich Natur dokumentieren.

Originaltext

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