Rubus fructicosus

Heuer sind die Hecken überall
prall gefüllt mit schwarzen Sammelfrüchten.
Auf den Erd- und Mauerwällen hängen
über Heidekraut und Heidelbeeren,
hinter Zäunen, zwischen Weiss- und Schlehen-
dornen, an den eignen stacheligen
Ranken ungezählte Kugelkugeln,
prall gefüllt mit dunkelviolettem Saft,
der meine Finger färbt. Vorsichtig
pflücken sie die Beeren, um nicht Blut
zu mischen in die Marmelade, in den
Kuchen, ins Dessert. Herbstlich färben
meine schwarzen Sammelfrüchte weisse
Wolle heiter fliederfarben – dabei spielt
ein bisschen Blut kaum eine Rolle.
Mit Alaun gebeizt wird sie im selben
Farbbad aber BROMBEER-blau.

Das Gedicht ist schon ein Jahr alt. Es trifft aber auf heuer auch wieder zu. Über meine Färbeversuche damals habe ich einen Beitrag fürs Lavendelschaf geschrieben, der im gerade erschienenen neuen Heft enthalten ist. Diese Zeitschrift erinnert mich an wabbabbel und vice versa. Weil sie auch ein Gemeinschaftsprojekt ist, ermöglicht und seit mehr als zehn Jahren vierteljährlich auf die Beine gestellt von einer idealistischen Frau. Falls Leser Leute kennen, die sich dafür interessieren würden: Bitte weitersagen.

Auf der Türschwelle

Wie oft wohl mag der alte Kater die Türschwelle zum “Anbau” überschritten haben? Um durch das Loch dort, oder die Hintertür, nach draussen zu gelangen, oder auch nur aufs Katzenklo? Um wieder herein zu kommen? Nun blieb er auf dieser Schwelle liegen, hat dabei eine andere überschritten. Keinen Meter von dem Wandschrank, in dem er damals hier gelandet ist, in sein – und unser – Leben geworfen. Einmal.

He, too, was lowered into the ground.

A Clerihew

Als ich mit Borges‘ Labyrinthen zu lesen erstmals fertig war, zu welcher Lektüre mich der Tlönfahrer angeregt hatte, gab ich sie meinem Mann zu lesen. Er ist noch dabei. Regte er mich aufgrunddessen an, Chestertons The Man Who Was Thursday zu lesen. Bin ich noch dabei. Darin ist am Anfang, als Widmung, ein Gedicht To Edmund Clerihew Bentley, der das Clerihew erfunden hat. Auch darauf hat mich mein Mann aufmerksam gemacht.

Wollte mich auch mal dran versuchen. Aus gegebenem Anlass ist dies dabei herausgekommen:

Sir Ian Paisley
was yesterday lifelessly
lowered into the ground
without uttering a sound

Rote mögen’s Süss

Rotkehlchen haben sich dieses Jahr mehr vermehrt als in den letzten. Inzwischen sind die jungen alle rot geworden. Man kann sie von den alten nicht mehr unterscheiden. Sie scheinen sich mit Menschen besser zu arrangieren als untereinander. Da verhalten sie sich eher wie Eichhörnchen: Abweisend. Einzelgängerisch. Revierbewusst.

Aber kaum beginnt ein Mensch, in Bodennähe zu arbeiten, ist eins da. Immer nur eins. Findet allerlei Kleingetier, das der Mensch nicht gesehen hat. Ob es jeweils das gleiche ist, kann der Mensch schwer feststellen, wenn ihre Kehlen einmal rot geworden sind. Sehen ja dann alle gleich aus. Wenn es ein junges ist, fragt er sich, wie es schon wissen kann, dass da in Menschennähe etwas zu holen ist. Als wäre dies Wissen ihm angeboren.

Es gibt aber, wie bei den Buchfinken auch (meint der Mensch hier festgestellt zu haben) zwei Typen: etwas plumpere, rundlichere, und die schlankeren, aufrechteren.

Eins der schlanken begann vor einiger Zeit, sich die Kuchenkrümel zu holen, die der rote Kater im Schüsselchen übriglässt, wenn es Kaffee und Kuchen draussen gibt. Was in diesem guten Sommer öfters vorkam. (Dieses Katers Vorliebe für Kuchen hat ausserdem zu regelmässigerem Kuchenbacken geführt, als es davor hier Gewohnheit war.) Wo war ich?

Ach ja, dieses Rotkehlchen kommt nun regelmässig auf den Tisch zum Schüsselchen, auch wenn da wer sitzt. So wie beim Umgraben oder Unkrautjäten muss man sich das vorstellen. Landete auch schon mal auf einem Kopf oder einer hochgehaltenen Zeitung. Letzteres ging natürlich schief. Aber woher soll ein Rotkehlchen wissen, ob eine Zeitung stabil ist oder nicht, ohne es ausprobiert zu haben?

Seit einigen Tagen aber erscheint dann ein zweites, plumperes, um das schlanke zu vertreiben. Es hat die Sache mit den Kuchenkrümeln mitbekommen. Ich glaube, es ist das älter eingesessene in diesem Revier, das, welches auch im Polytunnel nach Insekten zu jagen pflegt.

Inzwischen meinen beide, es müsse nicht nur zur Kaffeezeit Kuchenkrümel geben. So hockte sich das Plumpe heute schon viel früher auf mein Buch, dann auf den Rand meines Strickkorbes. “Mach ja nicht da rein!” sage ich, als es verkehrt herum auf dem Rand sitzt. Es hört nicht auf mich, sondern hockt sich anschliessend auf mein Knie.

“Okay, okay. Gehe ich halt in die Küche und hole ein paar.“

We may Reach for the Sky and Make Stones

„I’m really glad that life is full of surprises, that there is nothing there for sure and that even typical everyday events take a different course each time. Art is also a surprise. You can never quite know how the work you’ve just started is going to look like. And here lies it’s charm.“

Barbara Falkowska, tkaniny, 2008

Let’s be surprised. Not worried or regretful.
Or hesitant. Let us just knit
our journeys. We don’t know in full
the outcomes at the start of our trips.
Like time, row after row
we knit in a linear way.
Sequence, order and flow
of stitches and colours we may
choose – or just incorporate.
Some threads break. Does it matter?
Not as much as real threats
and the surprising fabrics and patterns
of all the journeys we travel
in life. No need to unravel.
(2010)

(Aus verschiedenen Gründen stelle ich das nun hier ein. Irgendwie passt es gerade. Vielleicht erkläre ich später mal.)

Hier sieht man eine Gewebe von Falkowska.

Efeu und Zwiebeln (free verse)

Mal was vom Färben und Stricken:

Ich nenne ihn meinen free verse Pulli. Weil ich ihn frei, Reihe für Reihe, Vers für Vers gestrickt habe, mit unregelmässiger, kaum beachteter Metrik, das Reimschema recht wirr. Inhaltlich ist er ziemlich kryptisch. Nur an ein paar Stellen wird er konkreter und erzählt von Efeu und Zwiebeln.

Im Frühjahr hatte ich endlich mal rechtzeitig Efeubeeren gesammelt zum Färben. In der roten giftigen Farbbrühe nahm die mit Alaun vorgebeizte Wolle grüne Töne an, die in mehreren Nachbädern zwar schwächer wurden, aber doch eine Art Grün zeigten, dass ich mit anderen Pflanzen noch nie erhalten hatte. Braun und Rostrot stammen aus der Zwiebelschalenbrühe, die ich nach dem Ostereierfärben übrig hatte und noch für Wolle benutzt habe. Ich fand, dass sie einen brauchbaren Kontrast bildeten, damit der Pulli nicht zu monoton grün erscheinen würde.

Fotografieren lassen sich diese Farben schlecht. Vor der efeubewachsenen Mauer sah die Kamera ihn insgesamt als eher blau an. Vor dem helleren Hintergrund der ’schmerzensreichen‘ halben Tür erkannte sie etwas besser. Trotzdem musste ich noch ein wenig nachhelfen bei der Bearbeitung am laptop. Digitale Kameras sehen anders. Aber wie das jetzt auf einem anderen Computer erscheint, ist die Frage.

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Es ist gut, dass bei Texten Schwarz und Weiss eigentlich genügen.

Wie fühlt sich’s an

auf die Schippe genommen zu werden?

Also, der Mond ist rund, der Mond ist rund, er hat zwei Augen, Nas‘ und Mund.

Nein, um dieses Spiel geht es hier nicht, sondern um Frösche. Wir haben öfters welche im Haus. Ich erinnere mich noch gut an mein Erschrecken beim ersten Mal, als plötzlich etwas kleines Unbekanntes im Wohnzimmer um meine Beine hüpfte, das sich als froglet herausstellte. Andere, grössere wurden oft zuerst von den Hunden oder Katzen bemerkt. Einmal fiel mir in der Früh in der Küche am Boden ein Häufchen auf. Im ersten Moment verdächtigte ich einen Hund, dort etwas unanständigerweise hinterlassen zu haben. Aber es war ein Doppelfrosch, ein Pärchen, aufeinandergeschmiegt. Andere fanden wir als vertrocknete Mumien in wenig beachteten Ecken und Ritzen.

Gestern fegte ich vor der Hintertür – der Wind hatte schon wieder lauter Zeugs von den Bäumen geweht – und entfernte auch das Farnkraut, das sich dort angesiedelt hatte. Dabei schreckte ich einen relativ kleinen Frosch auf. Der im Polytunnel ist grõsser. Ich fühlte mich mal wieder nicht gut dabei.

Die Haustür war angelehnt. Gut angelehnt, wegen den Mäusen, die auch gerne ins Haus kommen. Kein kugelschreibergrosser Schlitz also. Er hüpfte zu diesem engen Schlitz und sass dort, als wartete er, dass ihm jemand die Tür aufmachen würde.

Ich nahm ihn auf die Schippe, um ihn woanders hüpfen zu lassen.