Schafe (3)

Eine Woche später bekam jeder der beiden altersgemässe Gesellschaft, als das zweite Schafmutter-Kind-Pärchen uns fand. Diesmal blieb das Lamm unversehrt. Ein Mädchen. Wie erkennt man das Geschlecht eines Lamms, wenn man es nicht zu fassen kriegt? Man wartet, bis man es urinieren sieht. Mädchen gehen dabei “in die Hocke”, während Jungs es im Stehen laufen lassen.

Seine Mutter hatte kleine Hörner und war bereits geschoren. Nur am Bauch hingen noch Fransen herunter, die wir bald abschnitten. Jeder meinte, sie sähe aus wie eine Ziege.

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Auch sie wurde erst an der Leine gehalten. Als der Obstgarten abgegrast war, zogen die vier auf eine Wiese um. Die Mütter waren nun schon an ihre Leinen – und an uns, und an die Hunde – gewöhnt. Die Lämmer konnten frei laufen, weil sie sich eh nicht weit von den Müttern entfernen würden. Aber fast täglich kamen sie in den Hof und rannten dort hin und her um die Wette. Sogar die Aussentreppe zum Loft schlossen sie dabei mit ein. Seither habe ich nie wieder ein Schaf Treppensteigen sehen.

Vielleicht ein bisschen später als den Hunden wurde uns klar, dass die vier zu uns gehörten und wir Schafhalter geworden waren. Die Hunde hatten schon oft erlebt, wie es war, wenn wir jemanden freundlich aufnahmen, für kurze, längere Zeit oder wiederholt (Kids, Katzen, Besucher aus Deutschland und Übersee, Nachbarn). Analog dazu verhielten sie sich nun den Schafen gegenüber. Nur beim Postboten, bei Schwalben, Hasen, Füchsen und Fröschen hatten wir nie genug Zeit oder Gelegenheit, Gastfreundschaft zu zeigen, so dass sie diese weiterhin als Eindringlinge empfanden und sie anbellten, ihnen hinterherjagten, oder sie fressen wollten.

Ziege blieb Zeit ihres Lebens “Ziege”, ihr Lamm das “Lämmle”, und der Kleine, den wir nun den Nachbarjungs abkauften, das “Hammele”, obwohl er ja ein Widder war, aber Widder klang falsch hier, weil im Englishen “wether” ein kastrierter Schafbock ist.
Er wurde trotzdem Vater weiterer Schafe, und weiterer “Hammel”.
Das andere Schaf nannten wir wegen seines Aussehens im Vergleich zu Ziege Beauty. Je länger wir Ziege kannten, umso schöner wurde auch sie.

Wir beschlossen, noch einige Schafe hinzuzukaufen. Zuerst mussten wir einen Teil des Landes einzäunen lassen. Das ging relativ schnell, und Ziege und Beauty konnten sich dann endlich auch frei bewegen. Zuvor jedoch liessen wir noch jemanden kommen, um Beauty zu scheren. Als er damit fertig war, nahm er die beiden Lämmer, drehte jedem gekonnt an einer bestimmten Stelle das Schwänzchen ab und schnitt es mit der Schere vollends durch. Das passierte so schnell und unerwartet, dass wir nur verblüfft waren. Die Schwänzchen warf er in eine Hecke. Damit die Lämmer später nicht in den Brombeeren hängen bleiben, und damit ihr Hinterteil sauberer bleibt, sei das nötig. Später las ich irgendwo, dass man früher nach einer solchen Massnahme auch Schafschwänzchensuppe gekocht haben soll. Und dass man das, wie auch das Kastrieren, damals eigentlich schon vermehrt mit Gummiringen ausführte, die bewirken, dass Schwänzchen und Hoden nach einiger Zeit abfallen.

Die Enden der noch verbliebenen Stummel bluteten etwas, die Wunden verheilten schnell. Aber so oder so liessen wir das nie wieder machen.

Einige von den Zugekauften hatten, wie Ziege und Beauty, auch schon Stummelschwänzchen. Hier sieht man das Hammele mit seinem, einige Zeit später aufgenommen: Der so ungestüm dominiert. Links neben ihm das Lämmle.

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