The Rosetta Stone

Es war an mir, die Gedichte für das letzte Treffen unserer Lyriklesegruppe auszusuchen.
Ich hatte mir das Buch mit den Essays von Jan Wagner bestellt. Es war noch nicht angekommen.
Ich wollte ein Gedicht von ihm dabei haben, und eins von Sinead Morrissey, weil beide jüngere, zur Zeit erfolgreiche, Preise erhaltende Poeten sind.

Ich suchte also nach englischen Übersetzungen von Jan Wagners Gedichten. Und fand an essay on midges. Der darin erwähnte rosetta stone bildete dann den Rahmen für meine ganze Auswahl:

Ins Englische übersetzte Gedichte, ausser dem von Sinead Morrisey. Ich gab keine Autoren zu den Texten an, und wollte herausfinden, ob die anderen erkennen würden, welche Übersetzungen, welche original Englisch waren.

Diese vier hatte ich ausgesucht:

Jan Wagner

Sinead Morrissey

Wislawa Szymborska

Marin Sorescu

Nur beim letzten wurde vermutet, dass es eine Übersetzung darstellte.

Ich kannte die Originalfassung von an essay on midges bis dahin nicht. Fand sie dann in dem Buch von Jan Wagner, als ich es erhalten hatte: Der verschlossene Raum. Im Original hat das Gedicht den Titel versuch über mücken.

Die Übersetzung, und das Gedicht selbst, kamen ungemein gut an in der Lesegruppe. Und ich gestehe, ich war, ja, enttäuscht, als ich dann das Original las. Ich finde das Gedicht auf Englisch besser. Liegt es an der Eckigkeit, Umständlichkeit der deutschen Sprache? Alleine das Wort “Buchstaben” in der ersten Zeile scheint so unmückenhaft, so schwer. Wie auch “und stünden” als Schwarm in der Luft. “Stehen” ist auch nicht besser. “Bleistift”, ein weiteres schwer wirkendes Wort. “Dürftige” Musen. Und derlei.

Eine eigenartige Erfahrung war das. Ich frage mich fast, ob ich doch eher auf Englisch schreiben sollte?

Nun lese ich den verschlossenen Raum von Jan Wagner. Auch hier empfinde ich die Sprache manchmal einfach als unelegant, ein wenig altmodisch vielleicht auch hin und wieder. Dennoch lese ich’s gerne und mit Vergnügen. Und fand in der Lektüre ein weiteres Buch, das ich lesen will und mir nun bestellt habe. Dass es in englischer Sprache ist, ist eher Zufall: Essays von W. H. Auden. Der Titel, aber auch ein Blick rein online, haben es mir angetan: The Dyer’s Hand. And Other Essays.

Da las ich z.B.

“The interests of a writer and the interests of his readers are
never the same and if, on occasion, they happen to coincide,
this is a lucky accident.

To read is to translate, for no two persons’ experiences are
the same.”

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