Weihnachtliche Kerngedanken eines Kindes

In dieser Clementine waren sieben Kerne.
Ich hab sie alle ausgespuckt und weggeworfen.
“Man soll sie nicht verschlucken”, hör ich ferne Kinder-
stimmen sagen. Sie sammelten sich bloss im Blinddarm
an. Und der entzünde sich dann. So wie Kerzen
im Advent entzündet werden, zur Bastelzeit.

Das war Advent, noch mehr als andre Zeiten.
Wir sammelten Orangen-, Apfelkerne, reihten
sie zu Ketten auf auf langen Fäden. Machten
Sterne aus Stroh und Goldpapier mit dir. Zu andern
Zeiten zeichnetest du Schmetterlinge auf
für mich zum Ausmalen. Du weisst es gar nicht mehr.
Und stricktest für den Winter lange Zipfelmützen,
rosa-weiss, blau-weiss gestreift. Den Tellerrock
mit aufgestickten Blümchen. Ich drehte mich mit ihm
so gern im Kreis.

Du basteltst, werkelst weiter, immer
Neues. Du bäckst und kochst, organisierst. Bringst mit,
lädst ein. Du spielst, strickst, stickst, verschickst. Bescherst
um dich herum im Ort, und aus der Ferne, gerne
vielen Menschen kleine grosse Freuden. Und alles
ohne Internet. Es reicht dir Telefon,
Gemeindeblättchen, einfache Konversation
von Mensch zu Mensch. Mensch, Mama! Ich glaub, ich bin
die Einzige, die dich so nennt, du Einzigartige.
Auch ich wär gerne heute dort bei dir vor Ort.

Vogelflughafen

Man sieht sie wieder hocken – in den kahlen Bäumen –
wie sie dort alle warten auf die Fütterung.
Wenn man davor schon mal hinausgeht, meinen sie,
es gibt etwas, und fliegen aufgeregt herum.
Wenn dann das Futter schliesslich ausgestreut wird,
fühlt man sich wie am Flughafen in London oder
Frankfurt. Da gehen grosse, kleine Flieger nieder.
Sie landen ohne Lotsen – alle auf einmal, scheint’s -,
wechseln Start- und Landebahnen nach Belieben
ständig, entscheiden über Warteschleifen, Gates
allein. Es landen Jumbos hier in Gruppen, fliegen
zusammen dann davon mit schwingenden Geräuschen.
Grosse Propellerflugzeuge wirken schwerfälliger
als kleine kamikazeschnelle Meisen.
Schwuppdiwupp tanken sie auf und sind sofort wieder
weg. Jeder braucht seinen ganz speziellen Kraftstoff,
die Schwarzen beispielsweise Biodiesel aus
Rosinen, die Bunten Sonnenblumennõl, und Rote
am liebsten Kuchenkrümel, doch tut es jetzt auch Gerste.
Fettball- und Erdnusskernzapfsäulen erzeugen Warte-
schlangen auf den Ästen nahebei. Bei all dem Andrang
gibt es Hierarchien höchstens zwischen Gleichen,
und nie stösst einer mit ’nem anderen zusammen.

Winterzeit

Hier um unser Haus herum
wird’s im Winter seid zwei Jahren
eine Stunde später finster
als um alle anderen.

Das ist immer noch zu früh,
aber nicht so unerträglich
und unsäglich traurig wie
Wintertage früher waren.

Müssen wir das Haus verlassen,
brauchen wir uns nicht beeilen,
sind wir doch den andern allen
in der Zeit voraus.

Können morgens länger schlafen
und verpassen nichts. Laufen
nicht Gefahr, zu spät zu kommen,
stellten andre ihre Uhren um.