Cré na Cille

Vor meinem zweitem Urlaub in Irland 1986 hatte ich irgendwo über Cré na Cille, von Mártín Ó Cadhain, auf Irisch geschrieben und 1949 als Buch veröffentlicht, gelesen (oh, dieses Irisch. Selbst die Namen sind so umständlich zu schreiben). Das Setting interessierte mich: Die in einem Friedhof Begrabenen unterhalten sich mit und über sich selbst, und über die noch Lebenden. Immer wieder kommt eine(r) hinzu, der Neuigkeiten mitbringt, noch live, sozusagen.

So fragte ich im Buchladen in Dingle, und dann im berühmten Kenny’s bookshop in Galway nach einer Übersetzung, aber ohne Erfolg. Es gab keine.

Interessanterweise gab es 1995 eine Norwegische Übersetzung, und 2000 eine Dänische. Aber erst 2016 wurden Übersetzungen ins Englische publiziert. Ja, gleich zwei in diesem Jahr. Es ist fast unglaublich, dass das so lange gedauert hat.

Ich vergaß das Werk immer wieder, dachte nur manchmal noch daran, und hatte im Lauf der Zeit das Interesse daran irgendwo verloren. Kürzlich nun fiel mir in der Bücherei die Übersetzung von Liam Mac Con Iomaire und Tim Robinson in die Hände, und nun habe ich das Buch daheim und mit dem Lesen begonnen. Es hat im Englischen den Titel Graveyard Clay. Was mir, als Hobbytöpferin, sehr gefällt, sind die Kapitelüberschriften:

Interlude 1: The Black Clay.
2: The Spreading of the Clay
3: The Teasing of the Clay
usw. bis
10: The White Clay

Der Titel der zweiten Übersetzung lautet The Dirty Dust. Sie ist von Alan Titley.

Mein Mann hatte eine Verfilmung von 2007 im Fernsehen gesehen. Er fand sie, mit englischen Untertiteln, sehr anstrengend. Tatsächlich ist auch das Lesen anstrengend, denn da wird wirklich nur geredet. Getratscht. Gelästert.

Es ist nicht einfach, hineinzufinden, und herauszufinden, um wen es jeweils geht. Zumal auch immer wieder verschiedene Tote dazwischen quatschen. Wer ist wer? Irgendwo fand ich geraten, man solle das Buch laut lesen. Da muss man aber auch gerade Lust drauf haben.

Der erste Absatz hat mich aber schon begeistert:

„I wonder am I buried in the Pound Plot or the Fifteen-Shilling Plot? Or did the devil possess them to dump me in the Half-Guinea Plot, after all my warnings? The morning of the day I died I called Pádraig up from the kitchen: „I beseech you, Pádrick, my child,“ I said. „Bury me in the Pound Plot. In the Pound Plot. Some of us are buried in the Half-Guinea Plot, but even so…““

So spricht Caítríona Phaídín, im Grab nach ihrer Ankunft, zu sich selbst. Sie wird eine der Hauptfiguren dort.

Ein wenig später der ehemalige Schulleiter:

„This is how I would divide up this graveyard now, Norá, if I had my own way: university people in the Pound Plot, and then… Isn’t that so, Nóra? It’s a crying shame indeed that some of my own pupils are lying up here beside me… It depresses me how ill-informed they are, when I think of the diligence I wasted on them… And they can be quite disrespectful at times…“

Nun, tatsächlich war traditionell die orale Kommunikation in Irland mehr verbreitet als das geschriebene Wort. Geschichten wurden erzählt. Und es wurde und wird liebend gern über andere geredet. In Zeiten vor Fernseher (der nicht ohne Grund vielleicht so schnell Eingang fand in irische Häuser, und den ganzen Tag läuft), und vor sozialen Medien, war das sicher noch wesentlicher als heute.

Ich rede hier auch zu viel. Einen besseren Eindruck gibt sicher ein Ausschnitt aus der Verfilmung

Und Reflexionen eines der Mitwirkenden in der Verfimung:

Fenster 33

Schnell halbierte sich der Mond
– in ein paar Tagen, scheint’s.
Erscheint jetzt momentan
mit Halo, im Schlitz zwischen
zwei Vorhängen. Zufällig
trifft mein Blick auf ihn.
Hallo!
Als er noch voll war,
auf der andern Seite,
zog ich dieselben völlig
zu, um ihn vollkommen
auszuschließen. Er schien
so hell, zu hell, ließ mich
nicht schlafen. Nun zieht er schnell,
halbiert, weiter nach oben.

Fenster 32

Morgen wieder der Stammplatz im Sessel.
Heute versagt hier im schwarzen Fenster
der Router, „no internet secured“.
Draußen Regen und Wind, liegt’s am Wetter?
Immer denkt man zuerst, es läge
am eigenen device.
Scheiß Technik.
Ich leere den Papierkorb, lade
Bilder hoch von Katzen.
Sie lagen auf dem Käferdach.
Vom Pilz, so rot im grauen Mauerloch.
Die Mini-Orchidee, die blüht.
Auf meinem linken Fenstersims,
Davor sah sie bloß aus wie Gras,
jetzt brauch ich für die Miniblüten
meine Brille. Sie sind weiß.
Ich weiß, dass ich heut Nacht wieder
nicht schlafen werde. Das Muster wieder-
holt sich nun zum fünften Mal.

August

August gleicht jetzt April
fast auf das Haar.
Von meinem ist nicht mehr viel
da. Das Jahr

wird langsam, aber sicher alt.
Nicht lang, dann fallen
ihm die Blätter aus, und kalt
wird’s allen

werden, nicht nur meinem Haupt
in Schatten, Wind,
bei Schnee und Regen, lichtberaubt.
Die Zeit verrinnt.

Und ja, hier hinkt der obige Vergleich,
April folgt Frühling,
Sommer. August bläst Zapfenstreich.

Mützen auf mein Haupt

Ich näh aus alten T-Shirts Chemomützen,
acht hab ich schon, wieviele brauche ich,
demnächst mein ehrwürdiges Haupt zu schützen?

Sie sollen mir bei Sonne, Regen nützen.
auch wenn es kalt wird, windig: Sicherlich
brauch ich aus T-Shirts neu kreierte Mützen.

Ich mag nicht, dass sich kleine, grosse Pfützen
auf meiner Glatze tummeln: ärgerlich.
Will mein ehrwürdig Haupt davor beschützen.

Erscheinung ist egal, doch unterstützen
die selbstgenähtem Werke sie womöglich:
aus alten T-Shirts frisch genähte Mützen.

Sie werden sich nicht allzu schnell abnützen.
Und wenn, dann nähe unumwunden ich
mir neue, um mein glattes Haupt zu schützen.

Ich brauch ja keinen Schutz vor Heckenschützen,
nur etwas Warmes auf dem Kopf, wohlweislich.
Aus alten T-Shirts mach ich neue Mützen
mein alterehrwürdig Haupt zu schützen

(Angeregt, mal wieder eine Villanelle zu schreiben, wurde ich von Heidrun Dehnardt im dsfo.)

Once again

Once again the ashes are closing in.
Little green flames have grown together they soon
will form a single curtain blocking the sky out
of view it will still exist above and behind
the trees pastures and hills will welcome the sun
the clouds that seem to move in their own pace
day in day out higher and quicker than the ashes‘
flames without knowing what we mean by a year.

Blues

Bewandert in der griechischen Mythologie,
nannte Linnaeus diese Hasenglöckchen
non-scripta. unbeschrieben.
Weil keine Trauerträne auf sie fiel.

Myosotis, Mäuseohren, schnöd benannt
nach ihrer Blattform. Die kleinen Samen kletten
an Fell, Klamotten an.
Vergissmeinnicht. Du hast es recht erkannt.

Die kleinen Veilchen, verfolgt vom Sonnengott, verschanzt
damals im Wald, unter Hecken, aus Mitleid von Zeus.
Auf Venensuche hat man mir
auch untern Ärmel einige davon gepflanzt.

Doch nicht mit Adlerkrallen, Aquilegias.
auf denen Tauben, fünf, zusammen hocken.
Clevere Hummeln beißen
ihnen auf Nahrungssuche Köpfchen ab.

Und nochmal Mäuse: Teukros, erster König Troyas,
siedelte, wo laut Orakel ihn
die Erdgebornen plagten.
Teucrium fehlen Oberlippen, alas.

Reise

Der Morgenzug noch leer,
vier Autos auf dem Weg
zum Bahnhof Vogelstunde.
Der Fluss ist über sich
hinaus gewachsen. Wo Wiesen
nicht unter Wasser liegen,
ist Gras aufgeweckt grün.
Drei schwarz-weiße Pferde
auf ihm, bevor sich der Zug
füllt mit Laptops und derlei
Zaumzeug auf Tischen, in Händen.
Und mit Ohrenstöpseln.